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"Selten ist etwas so, wie es auf den
ersten Blick zu sein scheint. Rosen stechen, gutes Porzellan zerbricht,
Glück hält vielleicht ewig. Bei genauerem Hinschauen formiert
sich die vermeintliche Wirklichkeit aus Versatzstücken illusionärer
Materialität um eine unsichtbare Achse. Das rosenblättrige
Trugbild zerspringt in Stücke, der doppelte Boden bekommt Risse,
beginnt im Schwindel zu drehen. Die brüchige Schönheit aus
der Vogelperspektive wird in ihrem konservierten Zustand zu einem zeitlosen
Ornament, zu einem vielteiligen Organismus, der die Liebe, die Vergänglichkeit,
die Illusion, die Zerrissenheit in sich trägt und zu einem Mosaik
alltäglicher Dramatik und profaner Romantik wird. Die „Scherbenblüten“ schliessen
inhaltlich wie auch formal, wenn nicht auf den ersten Blick, so doch
auf den zweiten, an vorhergehende Werke der Künstlerin an. In der
Installation (Fotografie, Scherben) „Gestern war schön“ von
2009 sind ähnliche Themen wie in „Scherbenblüten“ virulent.
Die Rosen, die zerbrochenen Teller, die mehrperspektivische Sicht, die
zusammengefügten Bildpuzzles sind auch hier präsent. Der Raum
ist jedoch genauer definiert, das einzelne Objekt steht weniger im Zentrum.
Die weissen Geschirrstücke zeigen sich noch in ihrer ursprünglichen
Materialität. Sie scheinen gleichsam aus dem Bild herausgeworfen
worden zu sein, deuten einen Konflikt an, vielleicht aber auch ein Ritual
einer fremden Kultur. Die reliefartigen Fragmente gehen mit dem Betrachter
eine räumliche Allianz ein und ziehen ihn in eine Geschichte, die
ungewiss ist und den Schauenden wie auch bei den „Scherbenblüten“ die
Sinne betören." Text: Andrina Jörg |